Von Österreich über den Kosovo bis zur Isle of Skye - Michael Neumayr über seine Veränderung durch Reisen

Seit ich letzten Sommer von meiner ersten Backpackingreise zurückgekommen bin, bin ich nicht mehr dieselbe. Durch die Erfahrungen, die ich in Asien gemacht habe, bin ich dankbarer geworden und demütiger. Ich bin mit weniger Materiellem zufrieden und will stattdessen Erfahrungen sammeln. Auch wenn es mich damals richtig geschüttelt hat und ich innerhalb von zwei Monaten meinen nächsten Tripp buchte.

 

Und immer wieder beschäftigt mich das Thema Veränderung auf Reisen. Deswegen starte ich heute eine Reihe mit dem Thema Veränderung durch das Reisen. Ich habe die verschiedensten Reiseblogger befragt, wie das Reisen sie geprägt, wie sie sich durch das Reisen verändert haben.

 

Dabei habe ich insbesondere folgende Fragen gestellt:

  1. Wie hat dich das Reisen verändert?
  2. Allgemeines zur Länge deiner Reise: Wie lange warst oder bist du unterwegs? Machst du eher Lang- oder Kurzzeitreisen? Bist du Dauerreisender oder bist du immer wieder nur vorübergehend unterwegs?
  3. Welcher Ort hat dich am meisten geprägt und wieso?
  4. Was hast du auf Reisen für's Leben gelernt?

 

Heute gibt es zu diesem Thema einen Gastartikel von Michael vom Britlog.

 

Der Blick über den Tellerrand - Eine Entwicklung

Wie hat mich das Reisen verändert? Eigentlich gar nicht. Warum, das ist eine lange Geschichte. Die Reise führt euch vom Hausmeisterstrand über die weißen Strände Floridas und das zerbombte Sarajevo bis zu den Kensington Gardens.

 

Michael Neumayr Küste Cornwall

Es gibt Dinge, über die ich eigentlich noch nie so richtig nachgedacht habe. Und die Frage „Wie hat dich das Reisen verändert?“ gehört wohl dazu. Wohl auch, weil das Reisen einfach fest zu meinem Lebensstil gehört. Um über diese Frage reflektieren zu können, muss ich sehr weit ausholen.

 

Die allererste Reise, an die ich mich erinnern kann, war eigentlich klassisch. Das Ziel war Caorle - Hausmeisterstrand wie man so schön in Österreich sagt. Ich war gar nicht mehr so jung, sicher über zehn. Es war das erste Mal Meer, Salzwasser und eine fremde Sprache. In der Früh musste ich immer aufstehen und beim Bäcker das Frühstück holen. Eine Qual, die ich trotz Sommerferien in Kauf nahm. Denn beim Bäcker gab es Vanille­Krapfen. Etwas, das ich damals noch nicht kannte. Worauf ich hinaus will? Diese erste Reise war wohl mit ein Auslöser dafür, dass mich das Unbekannte reizt.

 

Wenn das meine Eltern gewusst hätten

Michael Neumayr Oxford

Einige Jahre später folgte meine erste Reise ohne Eltern. Ich war 15 oder 16 Jahre alt und wir waren eine Gruppe halbstarke Jungs. Zwei Freunde waren schon 18 und so fuhren wir mit zwei Autos an den Gardasee und haben ein paar Austauschschülerinnen besucht, die wir einige Monate davor in Österreich kennengelernt hatten.

 

Auf dieser Reise war so ziemlich alles improvisiert. Wir wussten mangels Navigation nicht wohin. Wir hatten keine Unterkunft und im Endeffekt schliefen wir zwischen den beiden geparkten Autos auf dem Parkplatz. Wenn meine Eltern das gewusst hätten, sie hätten mich wohl nicht fahren lassen. Aber ich habe Improvisationskunst gelernt und den Blick auf das Wesentliche.

 

Von Florida bis ins bosnische Minenfeld

Wirklich geprägt haben mich jedoch zwei andere Reisen. Wobei ich das Wort „Reise“ in diesem Zusammenhang etwas weiter fasse. Ich war nach der Matura 14 Monate lang in den USA und habe dort meinen Zivildienst absolviert. Erstmals habe ich alleine gelebt und das noch dazu in einer ganz anderen Kultur.

 

Keine Frage, dass mich das geprägt hat. Immerhin habe ich dort nicht nur Selbstständigkeit gelernt, sondern ich habe mir dort auch das Selbstvertrauen beigebracht, das man braucht, um aus Reisen etwas Positives mitzunehmen. Das hat mich nicht nur in meinem persönlichen, sondern auch in meinem beruflichen Werdegang geprägt. In den USA habe ich auch gelernt, allein zu reisen. Das ist gar nicht so einfach, aber wahrscheinlich auch viel intensiver als man denkt.

 

Die zweite Reise, die mich am meisten geprägt hat, war ein noch größeres Abenteuer. Ich habe mir als Journalist den Balkan als Schwerpunktgebiet ausgesucht und bin nach Sarajevo gezogen. Und weil wir gerade dabei sind: Ich finde es wichtig, dass man sich Schwerpunktgebiete setzt. Denn wie sonst willst du eine Region oder ein Land wirklich kennen lernen? Das habe ich in den USA gelernt. Eine einwöchige Rundreise durch die USA macht dich noch lange nicht zum Experten. 

 

Lagebesprechung im bosnischen Minenfeld
Lagebesprechung im bosnischen Minenfeld

Es sind die wiederholten Reisen in die gleiche Region, die dich mit der Kultur, der Mentalität und den Orten vertraut machen. Ich war in den 14 Monaten in Amerika drei Mal in Key West. Und der beste Besuch war der Dritte. Warum? Weil mir der Ort schon einigermaßen vertraut war und ich mich so auf so manche „hidden treasures“ konzentrieren konnte.

 

Der Balkan aber, das war Abenteuer und Beruf kombiniert. Ich wurde mit der Waffe bedroht, ich hatte manchmal militärischen Begleitschutz, stand in Minenfeldern, habe persönliche Schicksale kennengelernt und mit serbischen Nationalisten gesoffen. Ich habe eine Mischung aus unendlicher Gastfreundschaft und Rassismus erlebt. Meine Basis war Sarajevo, wo ich eine eigene Wohnung hatte, aber gereist bin ich bis Mazedonien. Es waren die Menschen, die mich fasziniert haben. Die Begegnungen ließen mich so manches Abenteuer erleben und es gab mir in gewisser Weise die Erkenntnis, wie gut wir es eigentlich haben. Der Balkan, das war mein Blick über den westlichen Tellerrand.

 

 

Michael Neumayr Kosovo
Begleitschutz im Kosovo

Am britischen Zwischenziel angekommen

Aber irgendwann hat es mich dann doch zurück nach Österreich und wieder in den sicheren Westen gezogen. Nachdem meine Freundin und ich beide große Fans der britischen Kultur sind, ist so ein neuer Schwerpunkt entstanden.

Michael Neumayr Stonhenge

Und da wir beide journalistisch tätig sind, dachten wir uns, eigentlich könnten wir über unsere britische Leidenschaft auch schreiben. So ist erst unser Reiseblog Britlog entstanden. Es war ein weiter Weg vom Hausmeisterstrand über die Stände Floridas und dem zerbombten Sarajevo bis zu den Kensington Gardens oder auf die Isle of Skye, dem Zwischenziel unserer Reise des Lebens.

 

Wie hat mich das Reisen also verändert? Eigentlich gar nicht, denn es gehört von Kindheit an zu mir. Ich könnte mir mein Leben ohne Reisen gar nicht vorstellen.

 


Michael ist Wirtschaftsjournalist in Graz. Gemeinsam mit seiner Freundin Johanna betreibt er den Britlog, einen informationsreichen Destination-Blog über Großbritannien inklusiver vieler persönlicher Geschichten.

 


 

Dieser Beitrag ist Teil der Serie Veränderung durch Reisen:

  1. 12 Reiseblogger verraten, wie sich durch das Reisen ihr Leben verändert hat
  2. Infografik Veränderung durch Reisen: 30 Reiseblogger packen aus
  3. Von Österreich über den Kosovo bis zur Isle of Skye - Gastartikel von Michael Neumayr (Britlog)
  4. Vom Pauschalurlaub zum Individualtourist - Gastartikel von Susanne Ullrich (Wortgestalten)
  5. Und so lernte ich 21 Arten zu lächeln - Gastartikel von Janine Sendatzki (Finding Hummingbirds
  6. Alleine unterwegs mit Kind - Gastartikel von Stephanie Schulz (Freileben)
  7. Der Weg zur Leichtigkeit - Gastartikel von Aras Orhon (W.E.G.)
  8. Die Liebe zur Sprache entdecken - Gastartikel von Ilona (Wandernd)

 

Möchtest du auch Teil der Reihe Veränderung auf Reisen werden? Dann schreib mir einfach eine Nachricht und wir besprechen alles Weitere.

 

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